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28.02.2022

Lebzeitige Überlassung von Immobilien: Sinnvoll?

„Steuern sparen“, „Pflichtteil mindern“ – solche Schlagworte finden Sie, wenn Sie nach einer lebzeitigen Übertragung von Grundbesitz im Internet suchen. Eine Schenkung an (meistens) Kinder oder Ehegatten ist zwar häufig sinnvoll, aber bei Weitem nicht immer. Wichtig ist das richtige Motiv und eine Gestaltung, die zu Ihrer Lebenssituation passt. 

Motiv „Vorwegnahme der Erbfolge“

Sie wollen Steuerfreibeträge mehrfach ausnutzen? Jedes Kind (auch ein Stiefkind) kann nach jedem Elternteil alle zehn Jahre erneut einen Schenkungs- bzw. Erbschaftssteuerfreibetrag in Höhe von 400.000 Euro ausnutzen. Bei Enkeln (auch Stiefenkeln) beläuft sich der Freibetrag regelmäßig auf 200.000 Euro.

Motiv „Ehebedingte Zuwendung“

Sie wollen Ihrem Ehepartner eine Immobilie oder einen Anteil schenken, um paritätische Verhältnisse untereinander herzustellen oder Steuerfreibeträge mehrfach auszunutzen? Der schenkungs- bzw. erbschaftsteuerliche Freibetrag eines Ehegatten beträgt 500.000 Euro, wobei das selbstgenutzte Familienwohnheim (sofern nicht als GbR gehalten) steuerlich zusätzlich privilegiert ist. 

Bei der Übergabe unter Ehegatten ist insbesondere zu bedenken, wer im Falle der Trennung oder Scheidung den „ersten Zugriff“ haben soll und ob bzw. wie  Wertsteigerungen ausgeglichen werden sollen.

Motiv „selbständiger Veräußerer“

Sie sind Unternehmer, Freiberufler mit Haftungsrisiken oder Existenzgründer mit hohem Finanzierungsbedarf und möchten Ihr privates Vermögen einem möglichen Gläubigerzugriff entziehen? Aufgrund der vierjährigen Anfechtungsfrist bei Insolvenz oder erfolglosen Pfändungsversuchen eines Gläubigers, sollte eine hierdurch motivierte Übertragung frühzeitig erfolgen.

In solchen Konstellationen ist es wichtig darauf zu achten, dass sich der Veräußerer keine pfändbaren Gegenleistungen vorbehält, wie z.B.  Nießbrauchrechte oder Rentenzahlungen. Der Vorbehalt eines nicht übertragbaren Wohnungsrechts ist dagegen möglich.

Motiv „Reduzierung von Pflichtteilsansprüchen“

Sie wollen die Pflichtteilsansprüche von Kindern, Eltern oder Ehegatten weitestmöglich reduzieren? Durch lebzeitige Übertragung können Sie Ihren Nachlasswert verringern und dadurch auch Pflichtteilsansprüche Ihrer Angehörigen.

Auch hier lohnt es sich, die Überlassung frühzeitig anzugehen. Gemäß § 2325 BGB läuft ab der Eigentumsumschreibung eine Wartefrist von zehn Jahren, wobei der übertragene Vermögenswert jedes Jahr um zehn Prozentpunkte abschmilzt.

Das gilt allerdings nicht bei einer Übertragung an Ehegatten oder, wenn sich der Veräußerer die wesentlichen Nutzungen vorbehält. Besondere Vorsicht ist daher bei der Vereinbarung von Nießbrauchrechten geboten.

Was es sonst noch zu überlegen gilt

Jeder Veräußerer sollte sich bewusst machen, dass er seine eigene Verfügungsbefugnis über das Objekt dauerhaft verliert, es also auch nicht mehr beleihen oder zur Altersvorsorge veräußern kann. Letzteres löst manchmal den Wunsch nach Pflegeverpflichtungen des Erwerbers aus, was seinerseits hohen Regelungsaufwand erfordert ("Problematische Pflegeverpflichtung")

Handelt es sich bei dem zu übertragenden Grundstück um Ihr selbst genutztes Eigenheim, das Sie auch künftig selbst nutzen wollen, stellt sich die Frage nach der Absicherung der Nutzungsverhältnisse. Ist das Grundstück noch mit valutierenden Grundschulden belastet, sollten Sie sich zudem Gedanken über die weitere Lastentragung machen.

Soll nur die formelle Eigentümerstellung wechseln und die tatsächliche Nutzung und Lastentragung bleiben wie bisher, bietet sich der Vorbehalt eines Nießbrauch- oder Wohnungsrechts an. Hierbei ist jedoch zu bedenken, dass solche Vorbehalte den Wert des Übertragungsgegenstandes reduzieren, was wiederum für die Ausnutzung der Freibeträge von Bedeutung sein kann. Daneben sind schuldrechtliche Veräußerungsverbote denkbar, die eine Belastung oder Veräußerung durch die Erwerber erschweren können.

Wenn mehrere Abkömmlinge vorhanden sind, kann ihnen das Miteigentum an dem Anwesen (in Bruchteilen) übertragen werden. Das kann zusätzliche Regelungen erfordern ("Wenn die Bruchteilsgemeinschaft nicht zerbrechen soll").

Denkbar ist aber auch die Übertragung an eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), an der die Geschwister beteiligt sind. Dadurch können künftige Quotenverschiebungen zwischen den Geschwistern weitgehend grunderwerbsteuerfrei erfolgen. Soll dagegen nur ein Abkömmling die Immobilie allein übernehmen, sollten Sie sich Gedanken über Herauszahlungsverpflichtungen an weichende Geschwister und gegebenenfalls über Vorkaufsrechte machen.

Darüber hinaus kann es sinnvoll sein, sich für bestimmte Fallkonstellationen wie Insolvenz, Scheidung (siehe auch "Schenkung von den Schwiegereltern – Was gilt bei Scheidung?") oder Vorversterben des übernehmenden Kindes oder Ehegatten Rückübertragungsrechte vorzubehalten, um den Zugriff Dritter auf den Grundbesitz zu verhindern.    

Fazit

Die lebzeitige Übertragung von Grundbesitz ist nicht trivial und selten Standard. Nutzen Sie die Gelegenheit und lassen Sie sich von der Notarin oder dem Notar Ihrer Wahl objektiv zu Sinn und Zweck und den Absicherungsmöglichkeiten eines Übergabevertrages in Ihrer ganz persönlichen Lebenssituation beraten.

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Autor

Dr. Natalie Löw

Dr. Natalie Löw

Rechtsanwältin und Notarin Fachanwältin für Informationstechnologierecht Fachanwältin für Urheber- und Medienrecht