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21.03.2023

Vor- und Nachteile handschriftlicher Testamente

Viele Beteiligte scheuen die Kosten eines notariellen Testaments und verfassen ihr Testament lieber handschriftlich. Das ist nachvollziehbar, die Sorge aber nicht immer berechtigt. Grund genug für uns, einmal die Vor- und Nachteile und auch den ein oder anderen „Irrglauben“ hinsichtlich handschriftlicher Testamente näher zu beleuchten.

1. „Das handschriftliche Testament ist billiger“

Ja und nein.

Richtig ist: Heute kostet es mich nichts, ein handschriftliches Testament zu verfassen. Ich muss es lediglich mit der Hand (!) aufschreiben und unterschreiben und sollte es sinnvollerweise mit Datum und Ort versehen. 

Aber: Bei lediglich handschriftlich verfassten Testamenten benötigen die Erben als Erbnachweis in aller Regel einen Erbschein, im Falle eines gemeinschaftlichen Ehegattentestaments sogar zweimal, nach jedem Erbfall gesondert.

Die Kosten für einen Erbschein sind in etwa vergleichbar mit denen eines notariellen Testaments, mit dem Unterschied, dass bei ersterem der Vermögenswert zum Zeitpunkt des Versterbens, bei letzterem der Zeitpunkt der Beurkundung maßgeblich ist.

Kosten entstehen daher so oder so. Jedoch trägt sie bei gesetzlicher Erbfolge und handschriftlichen Testamenten der Erbe, bei notariellen Testamenten der Erblasser noch zu Lebzeiten.

2. „Ich kann mein Testament später leichter ändern“

Nicht richtig. Auch notarielle Testamente können durch handschriftliche Testamente geändert werden. Allerdings hat eine solche Änderung in aller Regel zur Folge, dass die Erben dann zusätzlich einen Erbschein beantragen müssen.   

3. „Ich kann das doch auch selber schreiben“

Ja, das ist grundsätzlich möglich. Allerdings sehen wir allzu häufig, dass die Wortwahl in selbst verfassten Testamenten mehrdeutig ist und die Rechtsfolge der getroffenen Regelungen nicht dem tatsächlichen Willen der Testierenden entspricht.

Hier einige klassische Beispiele:

Versehentlich enterbt

Bei einem gemeinschaftlichen Ehegattentestament vereinbaren Eheleute mit 3 Kindern: „Wir setzen unseren Sohn Emil als Alleinerben ein.“

Was sie regeln wollen: Erbeinsetzung des Sohnes als Alleinerbe nach dem Letztversterbenden.

Tatsächliche Regelung: Emil ist Alleinerbe geworden. Der Ehegatte des Zuerstversterbenden wird enterbt, ebenso wie die zwei anderen Kinder. Dem Ehegatten bleibt nur der Pflichtteilsanspruch und gegebenenfalls Zugewinnausgleichsansprüche.

Versehentlich beschränkt

Die Eheleute regeln handschriftlich: „Wir setzen uns wechselseitig zu Alleinerben und unsere Kinder als Nacherben ein.“

Was sie regeln wollen: Wechselseitige Erbeinsetzung und Einsetzung der Kinder als Schlusserben. 

Tatsächliche Regelung: Unklare Rechtslage. Die Bezeichnung „Nacherbe“ statt „Schlusserbe“ ist auszulegen. Im ungünstigsten Fall wird sie so gewertet, dass der Ehegatte als unbefreiter Vorerbe eingesetzt wurde und die Kinder als Nacherben. Das bedeutet rechtlich eine deutliche Beschränkung des Ehegatten, da er die ererbte und die eigene Vermögensmasse bis zu seinem Tod getrennt halten muss und ohne die Zustimmung der Nacherben keine Nachlassgegenstände verwerten darf.

Vermächtnis mit Testamentsvollstreckung

Die Eheleute regeln in ihrem handschriftlichen Testament:

Wir setzen uns wechselseitig zu Alleinerben ein. Nach dem Tod des letzten von uns sollen unsere Kinder alles erben.

Unsere Nachbarin Else soll im Wege des Vermächtnisses die Büromöbel und das Gartengrundstück erhalten. Die Münzsammlung bekommt unser Enkel Tim.   

Wir ordnen Testamentsvollstreckung an. Der Testamentsvollstrecker soll unseren Nachlass auseinandersetzen und unsere Vermächtnisse erfüllen. Testamentsvollstrecker soll Else sein.

Was sie regeln wollen: Vermächtnisse und Testamentsvollstreckung für den zweiten Erbfall.

Tatsächliche Regelung: Unklare Rechtslage. Es ist nicht eindeutig geregelt, ob die Vermächtnisse im ersten oder zweiten Erbfall anfallen sollen. Ebenso wurde die Testamentsvollstreckung nicht ausdrücklich für den zweiten Erbfall angeordnet.

 Versehentlich Streit provoziert

Der Erblasser hatte in seinem handschriftlichen Einzeltestament folgendes geregelt:

„Ich setze als Erben meine 4 Kinder und meine Freundin Ulrike zu je gleichen Teilen ein.

Wer sich am Ende am meisten um mich gekümmert hat, soll 50.000,00 EUR extra bekommen.“

Was er wollte: Dass derjenige oder diejenigen seiner Erben, die sich mehr um ihn gekümmert haben als andere, eine besondere Zuwendung erhalten.

Was er tatsächlich bewirkt hat: Die Erben streiten sich darüber, wer sich besser und mehr gekümmert hat und ob nicht sogar der Pflegedienst mit bedacht werden muss. Unklar ist auch, ob jeder 50.000,00 EUR erhalten soll oder ob die 50.000,00 EUR zwischen den Pflegenden aufzuteilen sind. Ist der Nachlasswert am Ende sogar geringer als 50.000,00 EUR, stellt sich zudem die Frage nach einem nur anteiligen Vorausvermächtnis. Unklarheiten wie diese sind ein Nährboden für Erbstreitigkeiten.

Meine Kinder bekommen nichts

Im November 2022 hatte das OLG Brandenburg über ein Ehegattentestament zu entscheiden, in dem die Eheleute sich wechselseitig zu Alleinerben und die Schwestern nebst Abkömmlingen der Ehefrau als Schlusserben eingesetzt hatten. Die Ehefrau hatte keine Kinder. Die leiblichen Kinder des Ehemannes aus erster Ehe sollten „durch das Testament nicht erbberechtigt“ sein.  

Nach dem Tod des Ehemanns - die Ehefrau war vorverstorben - schlugen die eingesetzten Erben die Erbschaft aus.

Das OLG entschied im Rahmen des Erbscheinverfahrens, dass die leiblichen Kinder des Ehemanns zu je 1/3-Anteil Erben geworden sind, obwohl im Testament ausdrücklich geregelt war, dass sie „nicht erbberechtigt“ sein sollten.

Das OLG stellte fest, dass die Kinder lediglich aus der gewillkürten, nicht aber aus der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen sein sollten. Grundsätzlich entfalle mit der Unwirksamkeit der Erbeinsetzung auch die korrespondierende Erbausschließung, es sei denn, das Testament lasse einen anderen Willen des Erblassers erkennen. Da hier alle testamentarisch eingesetzten Erben ausgeschlagen hatten, kam hier also wieder die gesetzliche Erbfolge zum Zug.

Diese Rechtsfolge hätten die Erblasser durch eine entsprechend klarstellende Regelung im Testament verhindern können.

4. Fazit 

Die Möglichkeit, ein Testament kostengünstig handschriftlich zu verfassen, klingt verlockend, will aber gut überlegt sein. Es gibt sicher viele Fälle, in denen es den Testierenden gelingt, die gewünschten Rechtsfolgen zu erreichen. Die Sicherheit darüber hat man leider aber immer erst hinterher, nach dem Tod des Erblassers. Unabhängig davon für welche Variante einer letztwilligen Verfügung Sie sich entscheiden, empfehlen wir daher immer die Hinzuziehung eines erbrechtlich geschulten Beraters.  

 

Autor

Dr. Natalie Löw

Dr. Natalie Löw

Rechtsanwältin und Notarin Fachanwältin für Informationstechnologierecht Fachanwältin für Urheber- und Medienrecht